Tragbarer handgehaltener Scansensor erweitert das Prinzip der Photogrammetrie
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Tragbarer handgehaltener Scansensor erweitert das Prinzip der Photogrammetrie

Aug 16, 2023

Virtuelle 3D-Modelle realer Objekte, sogenannte digitale Zwillinge, bieten zahlreiche Vorteile – sei es für die Digitalisierung oder in der Qualitätskontrolle industrieller Fertigung. Doch je komplexer ein Objekt ist, desto schwieriger ist es, seine Form zu messen und in ein 3D-Modell zu übertragen. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF haben in Zusammenarbeit mit der MTU Maintenance einen tragbaren Hand-Scanning-Sensor goSCOUT3D entwickelt, der eine besonders flexible 3D-Erfassung beispielsweise von Flugzeugtriebwerken ermöglicht.

Detaillierte 3D-Modelle helfen dabei, Objekte und Gegenstände aus der realen Welt in den digitalen Raum zu übertragen. Sie ermöglichen einen hohen Detaillierungsgrad, sodass selbst kleinste Schrauben an technischen Geräten identifiziert werden können. Diesen Vorteil hatte auch die MTU Maintenance in Hannover im Blick, der weltweit führende Anbieter von Wartungsdienstleistungen für Flugzeugtriebwerke. Für die Dokumentation des Ein- und Auslaufzustands von Triebwerken wollten die MTU-Experten eine unkomplizierte und benutzerfreundliche Lösung zur vollständigen dreidimensionalen Digitalisierung. Bisher nutzte das Unternehmen klassische Kompaktkameras, mit denen nur typische (Defekt-)Standorte fotografiert werden konnten und die Motoren nur unvollständig erfasst wurden.

Vollautomatische und mobile Vermessung dreidimensionaler Objekte

Vor diesem Hintergrund wandte sich die MTU an Forscher des Fraunhofer IOF, die einen neuartigen 3D-Scanner entwickelt haben. Dieser Scanner ermöglicht künftig eine flexible, einfache und zeitsparende dreidimensionale Vermessung von Motoren. Bequem per Hand lässt sich goSCOUT3D um den zu vermessenden Motor herumführen und erstellt automatisch ein 3D-Modell mit hochauflösenden Form-, Farb- und Texturinformationen. „goSCOUT3D ermöglicht einen vollautomatischen Prozess während der Messung: von der Bildaufnahme bis zur Generierung des kompletten farbigen oder texturierten 3D-Modells“, erklärt Dr. Stefan Heist vom Fraunhofer IOF. Gemeinsam mit seinem Team entwickelte der Forscher goSCOUT3D.

Der goSCOUT3D gleicht einer überdimensionalen Taschenlampe – denn neben einer hochauflösenden Farbkamera sowie einer Inertialmesseinheit (IMU) und einem Display mit Touchscreen ist ein Ringlicht das optisch auffälligste Merkmal des neuen Sensors. Es dient zur Ausleuchtung der Messszene, um die für den Handbetrieb erforderlichen kurzen Belichtungszeiten zu ermöglichen. „Damit können weit über tausend Bilder aufgenommen und verarbeitet werden. Bei einem Standard-Messabstand von einem Meter und einem Bildfeld von etwa einem Quadratmeter erreichen wir so eine außergewöhnlich hohe Aufnahmegeschwindigkeit von bis zu 6 m² Objektoberfläche pro Minute“, erklärt Marc Preißler, Mitentwickler von goSCOUT3D. Die integrierte 20-Megapixel-Farbkamera ermöglicht eine besonders hohe räumliche Auflösung von weniger als 0,25 Millimetern. Das Gewicht des Sensorkopfes beträgt ca. 1,3 kg. Die Stromversorgung erfolgt über wiederaufladbare Batterien, die einen unterbrechungsfreien Betrieb über mehrere Stunden ermöglichen. Dadurch ist der Handscanner besonders mobil und flexibel einsetzbar.

GoSCOUT3D erweitert das Prinzip der Photogrammetrie

Doch wie genau generiert goSCOUT3D die gewünschten 3D-Modelle? Hierzu nutzt der Sensor das Prinzip der sogenannten Photogrammetrie. „Bei diesem Messverfahren werden hochauflösende zweidimensionale Farbbilder der gemessenen Szene aus vielen verschiedenen Winkeln aufgenommen“, erklärt Stefan Heist. Das bedeutet: Der Sensor wird einmal manuell um das Objekt herumgeführt. „Anschließend werden markante Objektpunkte in der Fotosequenz identifiziert. Treten diese in mehreren Bildern auf, können wir über das Prinzip der Triangulation die zugehörigen 3D-Punkte und letztlich die 3D-Daten der gesamten Szene berechnen.“

Eine besondere Herausforderung für die Forscher war die schnelle Verarbeitung der 2D-Bilder. „Für die 3D-Aufnahme ist eine große Anzahl hochauflösender Einzelbilder in guter Qualität erforderlich. Die entsprechende Bearbeitung dieser Einzelbilder ist typischerweise sehr zeitaufwändig“, erklärt Stefan Heist die Ausgangsproblematik. Den Jenaer Forschern ist es jedoch gelungen, das Prinzip der Photogrammetrie um die Positions- und Orientierungsdaten einer inertialen Messeinheit (IMU) zu erweitern. Diese ermöglichen die grobe Bestimmung der Sensorbewegung und damit die Auswahl von Bildern mit überlappenden Bildinhalten. „Setzt man dieses Vorwissen in die photogrammetrische Auswertung ein, lässt sich die Zeit insbesondere bei komplexen Messobjekten um mehr als die Hälfte reduzieren“, fasst Marc Preißler zusammen. So kann bereits innerhalb weniger Minuten ein 3D-Modell erstellt werden.

Die MTU ist mit der neuen Anwendung sehr zufrieden. „goSCOUT3D ermöglicht uns eine ganzheitliche und detaillierte Sicht auf unsere Motoren in 3D und 2D, inklusive Navigationsmöglichkeiten“, sagt Dr. Frank Seidel, Leiter Reparaturentwicklung bei MTU Maintenance. „Die flexible Einsetzbarkeit des Scansystems im Produktionsumfeld, die einheitliche Dokumentationsstruktur bei der Erfassung der Befunddaten und die Nutzung in unseren Qualitäts- und Analysetools werden zu einer deutlichen Effizienzsteigerung führen.“

Flexibles 3D-Messsystem zur Digitalisierung und Dokumentation

Mit goSCOUT3D haben die Forscher jedoch einen Sensor entwickelt, der nicht nur in der Luft- und Raumfahrtindustrie, sondern weit darüber hinaus Anwendungspotenzial bietet. Durch die Visualisierung und Analyse von Objekteigenschaften eignet sich der Scanner für den Einsatz in Medizin, Forschung und Wissenschaft oder auch zur Bereitstellung von Daten für Augmented-Reality-Anwendungen. „Mit goSCOUT3D geben wir Anwendern – im wahrsten Sinne des Wortes – ein flexibles 3D-Sensorsystem an die Hand, das neue Möglichkeiten bei der Digitalisierung und Dokumentation von Objekten bietet“, resümiert Entwickler Stefan Heist.

Weitere Informationen: www.iof.fraunhofer.de

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